Kondome mit Steppengras-Aroma

Wenn ich auf Reisen bin, kann ich leider nicht täglich bloggen. Deshalb der Griff ins Archiv. Hier finden Sie von Zeit zu Zeit die Textversion meiner Hörfunk-Reportagen. Die Manuskripte wurden nicht aktualisiert!

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IQALUIT / NUNAVUT

Es ist lecker-braun und riecht nach Moschuchs-Ochse. Oder dezent beige wie Steppengras. Wer Glueck hat, kriegt den Gummi-Űberzieher in Pink, Geschmacksrichtung: Arktischer Lachs. Besonders gefragt sind die Aromen von Rentierfell und wilden Pilzen.

Ausgefallene Kondome sind in Mode. Speziell für die Eskimo-Olympiade im kanadischen Iqaluit wurden jetzt fünf neue Geschmacks- und Farbrichtungen auf den Markt gebracht. Als Veronika Doerr vom Gesundheitsamt der Inuit-Siedlung am Rande des Eismeers jetzt zu den Teilnehmern der Arktischen Winterspiele über die farbigen Kondome sprach, ging ein Kichern durch den Saal. Aber die Message, sagt Veronika Doerr, sei von den Ureinwohnern verstanden worden.

„Ich glaube, die Aktion Kondom wird sich positiv auf die arktischen Gemeinden auswirken. Wir, als Gesundheitsbehorde, wollen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Benutzer der Kondome sollen Spass damit haben. Gleichzeitig wollen wir aber auf die Gefahren hinweisen, die ungeschützter Sex mit sich bringt.“

Aufklärung tut Not: Unter Kanadas Ureinwohnern gelten HIV und Aids noch immer als Kavaliersdelikte. Geschlechtskrankheiten sind unter den Inuit stark verbreitet. Allein im Nunavut-Territorium mit knapp 27-tausend Einwohnern sind zwölf Menschen an HIV oder Aids erkrankt. Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein.

Bei der ersten echten Massenveranstaltung der Ureinwohner auf kanadischem Boden wollten die Gesundheitsbehörden dem Treiben nicht tatenlos zusehen: Tausende von Inuit, Indianer und Inupiat aus Sibirien, Grönland, Alaska und Kanada kommen sich bei den Arktischen Winterspielen nahe, manche von ihnen sehr nahe. Da passte die Kondom-Kampagne gut ins Programm. Zusammen mit den zweitausend Kondomen in allen möglichen arktischen Farben und Geschmacksrichtungen wurden Tausende von Aufklärungsbroschüren an die Ureinwohner verteilt.

Für manche der Teilnehmer der Eskimo-Spiele ist die Suche nach den kostenlosen Űberziehern zur Trophäenjagd geworden. Danny Kobal, ein Eishockeyspieler aus Alaska, sagt: Er wisse zwar nicht richtig, was er mit den Dingern anfangen soll. Aber als Sammelobjekt seien die bunten Kondome Gold wert. Danny ist fünfzehn. Sex habe er zur Zeit nicht im Sinn. Hier, bei den Arktischen Winterspielen, konzentriere er sich lieber auf den Sport.

Die Arctic Wintergames gelten inzwischen als die schrägste Sportveanstaltung auf dem Kontinent, vielleicht sogar der Welt. Neben herkömmlichen Disziplinen wie Eishockey, Snowboarding und Skilanglauf, üben sich die Teilnehmer in Sportarten, die es sonst wohl nirgends in der Welt gibt: Seehundschwanz-Kicken, Speerwerfen in die Menge mit verbundenen Augen und Fass-Reiten im Tiefschnee.

Mit einer mitternächtlichen Zeremonie auf dem zugefrorenen Polarmeer gehen die Arktischen Winterspiele am Sonntag Nacht zu Ende. Wettervorhersage für Iqaluit: Minus 27 Grad Celsius.                           (Sendung vom 21-3-2002)